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ist, wenn man behauptet, nur der Wiedergeborne könne sie begehen. Matth. 12, 31 ist geredet zu den Pharisäern, die nicht wiedergeboren waren, aber sie standen unter dem Einfluß der Gnade und des Wunders, das der HErr vor ihren Augen verrichtet hat. So kann man also schon im Bereich der vorlaufenden Gnade diese Sünde begehen.

 3. Man wird, dies vorausgeschickt, kein anderes Charakteristikum der Sünde wider den heiligen Geist anführen können als die Vorsätzlichkeit derselben, oder genauer die direkte Entgegensetzung gegen Gott und seinen heiligen Geist, die mit ihr gegeben ist, verbunden mit Lästerung. Infolge des Betrugs der Sünde ist der Gegensatz des sündigenden Menschen gegen Gott ein indirekter, der Mensch thut das Böse nicht um des Bösen willen, sondern um des vermeintlichen Gutes, des Glückes willen, das er sich vom Bösen verspricht. Wird aber der Widerspruch ein direkter, eine bewußte und entschlossene Verhöhnung der Wahrheit, thut der Mensch das Böse um des Bösen willen mit kalter Entschlossenheit, so bekommt seine Sünde den Charakter der Sünde wider den heiligen Geist. An dem bisherigen ist schon ersichtlich, daß es sich hier um eine innere Entwicklung, um einen Prozeß, der kürzere oder längere Zeit zu seiner Vollendung bedarf, handelt. Diese Sünde ist nicht eine für sich stehende Einzelsünde, sondern Abschluß eines Zustandes dauernder Verhärtung und hartnäckiger Entgegensetzung, welcher Zustand in einer Einzelsünde sich zuspitzen und zur Entscheidung gelangen kann, nämlich in der Lästerung.

 4. Ihrer Natur nach kann diese Sünde keine solche sein, die man hinterher bereut und ungeschehen machen möchte; denn wenn sie die bewußte und entschlossene Widersetzlichkeit gegen Gott ist, schließt sie ihrer Natur nach den Wunsch des Andersseins, die Reue aus. Es kann in diesem Fall der Mensch zur Sinnesänderung nicht mehr erneuert werden (Hebr. 6, 4–6) und der Mensch will auch nicht bereuen. Hebr. 12, 17 macht nicht irre; denn Esau sucht nicht die Reue, sondern den Segen. Nach dem Grundtext ist sowohl μετάνοια als εὐλογία gen. fem., darum „sie“. Gäbe es hier eine Reue, so wäre es nicht die Sünde wider den heiligen Geist. Hebr. 6, 1–6 ist mit Recht hiehergezogen worden. Da ist die Rede von Wiedergebornen. (Das ist ja natürlich, daß beim Wiedergebornen sie noch schwerer ist.)

 Dreierlei ist hier als Kennzeichen dieser Sünde angegeben:

1. Der Vollbesitz der Erleuchtung und die Erfahrung von der beseligenden Kraft der Gnade.