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 Auf die einzelnen Vermögen des Geistes (a) Wille, (b) Erkenntnis, (c) Gefühl, gesehen, ist es vor allem der Wille, der erneuert wird, samt den Willenstrieben und Neigungen. Vor allem gilt es, den selbstsüchtigen Eigenwillen zu brechen und zu lassen, und den Willen je länger, je mehr in Einheit zu bringen mit dem göttlichen Willen, Matth. 6, 10. Das verlangt einesteils immer gründlichere Einsicht in das, was der Wille Gottes sei, besonders in den speziellen Lebensführungen, Eph. 5, 17; Röm. 12, 2, und andernteils immer größere Selbstverleugnung, Matth. 16, 24, immer größere Fügsamkeit, Schmiegsamkeit und Beweglichkeit des Willens, Matth. 26, 42, wo es aber Widerstand leisten oder auszuharren gilt, immer größere Festigkeit und Unbeweglichkeit, 1. Kor. 15, 58. Dabei wird der Sinn für das Gute und die Liebe dazu immer mehr gestärkt, ebenso der Haß gegen das Böse, Amos 5, 14; Röm. 12, 9; 16, 19; 1. Thess. 5, 15; 1. Petr. 3, 11 u. Matth. 12, 35.

 So wird auch das Erkenntnisvermögen (νοῦς) erneuert, indem es je länger je mehr von dem göttlichen Wort erleuchtet wird, Eph. 1, 17–19, und sein Denken gleichförmig macht dem göttlichen Wort und durch sein erneutes Gewissen den Sinn für Wahrheit stärkt, Joh. 18, 37; 3, 21; 1. Joh. 1, 6. Der Geist der Wahrheit leitet uns in alle Wahrheit, Joh. 16, 13. Der Mensch gewinnt dadurch eine richtige Gottes-, Selbst- und Menschenerkenntnis und eine richtige Weltanschauung; vor allem ein richtiges sittliches Urteil, gleichfalls im Verein mit dem Gewissen und dem aus demselben zeugenden Geist, Röm. 12, 2, Weisheit und Klugheit im Handeln, Kol. 1, 9. Es gilt eine immer zu wiederholende Reformation der ganzen Gedankenwelt und ein beständiges Wachsen in der Erkenntnis nach Umfang und Tiefe, je nach Gabe und Beruf, 2. Petr. 3, 18.

 Auch die Empfindung oder das Gefühl wird erneuert. Es bedarf besonders der Heilung von der Unordnung und Verwirrung, welche die Sünde da angerichtet hat, indem die Affekte herrschen und die Leidenschaften statt der Vernunft die Zügel führen, (cf. das aequle temperamentum qualitatum corporis, Apol. Conf. Aug. pag. 80, 17 wegen des Zusammenhangs der Affekte mit dem Leibe.) Es gilt also, das Gleichgewicht der oberen und niederen Kräfte wieder herzustellen und die Seele von der Willkür der Launen zu befreien. Das geschieht, wenn die wissende und wollende Seele mit dem Heilsgut (σωτηρία) eins wird, wodurch Friede und Ruhe ins