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her angebahnt und durchläuft verschiedene Stadien eines infolge verschiedener in Verstand oder Willen liegender Hindernisse oft jahrzehntelang andauernden Prozesses (cf. die Lebensgeschichte Augustins). Die Bekehrung kann als Prozeß angesehen werden, wenn man auf die vorhergehende Arbeit der gratia praeparans sieht. Sie muß aber als Moment angesehen werden, wenn man die eigentliche Entscheidung darunter versteht, vermöge welcher der Mensch aus der widergöttlichen Richtung seines Lebens zu Gott hin gerichtet wird.

 Eine neue Frage erhebt sich hier, die auch praktisch wichtig ist. Ob man sich des Moments seiner Bekehrung müsse erinnern können?

 Die Frage liegt nach unserer Auffassung der Bekehrung als einer momentanen nahe. Die Behauptung wird aufgestellt von den Methodisten und anderen. Sie sprechen jeder Bekehrung die Echtheit ab, wenn sich der Mensch nicht genau derselben erinnern könne. Nun ist allerdings zuzugeben, daß der Moment der Bekehrung der Erinnerung des Menschen präsent bleiben kann. Dies wird namentlich der Fall sein, wenn die Bekehrung des Menschen sich an ein äußeres Ereignis knüpft (cf. Paulus, Augustin). Aber das ist der seltenste Verlauf des Bekehrungsprozesses. Nicht immer ist der entscheidende Moment des Sieges in diesem der Bekehrung vorausgehenden Kampf so klar dem Menschenauge ersichtlich. Wie oft ein Feldherr im Gewühl der Schlacht außer stand ist, seinen wirklichen Erfolg zu übersehen, und während er für den folgenden Tag die Fortsetzung des Kampfes plant, die Nachricht erhält, der Feind habe sich zurückgezogen, also erst hinterdrein die Tragweite der gethanen Kampfesarbeit überschaut, so kann auch bei dem Christen nicht selten der Fall eintreten, daß erst geraume Zeit, nachdem der entscheidende Sieg erfochten ist, er sich der vollzogenen Thatsache bewußt wird. Da ist dann die Forderung nicht aufrecht zu erhalten, daß man des Moments seiner Bekehrung sich bewußt sein müsse. Es lassen sich gar mancherlei Fälle denken, je nach den Anlagen, nach den Führungen des Menschen, nach den Temperamenten, nach der Fähigkeit der Selbstbeobachtung. Bei schroffen Charakteren pflegt die Bekehrung im Sturme zu geschehen. Bei weniger schroffen kann die Bekehrung ohne so heftige geistliche Konvulsionen vor sich gehen (Lydia). Zudem verliert diese Frage, die von den Methodisten so wichtig gemacht wird, an Bedeutung durch die Erwägung, daß mit dieser einmaligen großen Wendung zu Gott hin keineswegs schon