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welcher der Mensch sich mit bewußtem Willensentschluß abkehrt von der Sünde und sich Gott, dem höchsten Gut, zuwendet.

 Was nun das Verhältnis von Wiedergeburt und Bekehrung anlangt, so haben wir ja schon oben gesagt, daß das Natürlichste wäre, wenn die Wiedergeburt zusammenfiele mit der Bekehrung; die Neusetzung des geistlichen Lebens mit der bewußten, willentlichen Aneignung desselben; der Fall tritt auch zuweilen ein. Namentlich auf dem Missionsgebiet kann es geschehen und geschieht es, daß entsprechend der göttlichen Wirkung, der Neusetzung des geistlichen Lebens, zugleich eine Entscheidung und Selbstentschließung des Menschen sich vollzieht. Aber allerdings ist diese Selbstentschließung oder besser der Entschluß in der Taufgnade zu leben vorbereitet durch eine frühere unter dem Einfluß des Wortes zu stande gekommene Entschließung zur Taufe. Bei einem, der beim Empfang der Taufe erwachsen ist, kann Wiedergeburt und die also näher bestimmte Bekehrung zusammenfallen.

 Viel seltner ist der andere Fall, doch nicht ohne Beispiel, daß ein Mensch, der in der Kindheit die Taufe empfangen hat, durch besondere göttliche Gnade im Stande seiner Taufgnade bleibt, so daß sein erwachendes und sich entfaltendes Leben nichts weiter ist als eine Entfaltung der Kräfte der Wiedergeburt und eine immer bewußter werdende Aneignung ihrer Gnade und Gnadenkräfte. Aber gerade innerhalb der Christenheit, wo die Kindertaufe mit Recht Regel ist, kann der Fall nicht bloß, sondern pflegt der Fall sehr oft einzutreten, daß Wiedergeburt und Bekehrung sich voneinander scheiden, indem der Mensch eine Zeitlang bloß Gegenstand, Objekt der wiedergebärenden Wirkung Gottes bleibt, ohne, wie er könnte und sollte, mit williger Selbstentscheidung darauf einzugehen. Das ist also da, wo die Kindertaufe herrscht, der gewöhnliche Gang. Es werden durch die Kindertaufe die geistlichen Kräfte in das Herz des Kindes gesenkt und der Keim dieses neuen Lebens in seine Seele gelegt. Daß auch spontane Regungen des neuen Lebens schon im Kinde stattfinden können, dafür genügt der Hinweis auf Johannes den Täufer. Wird aber solch ein Lebenskeim nicht gepflegt, findet er in seiner Umgebung nicht Luft und Licht und günstigen Boden, so kann er lange im Verborgenen liegen und schlafen, ehe es zu bewußter Lebensregung, ehe es zu einer wirklichen Auseinandersetzung mit dem alten Menschen und den herrschenden Mächten des natürlichen Lebens kommt. Man kann nicht sagen, daß in solchem Fall das Leben des Wiedergebornen erstorben sei. Es wird