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zunächst noch ein geistliches Kind ist, in dem das geistliche Leben nur keimhaft gesetzt ist, aber mit der inneren Triebkraft, sich zu entwickeln und zu entfalten. Es hat das Kind alles, was zum Menschen gehört, aber noch zusammengewickelt und unentfaltet; so ist auch die neue Kreatur fertig durch die Taufe, aber nicht ausgebildet und entfaltet. Es ist ein langer Weg, der von der geistlichen Empfängnis und Geburt bis zum vollkommenen Mannesalter in Christo führt. Darum unterscheiden wir anstatt Wesen und Erscheinung der Wiedergeburt lieber die Hineinbildung des göttlichen Ebenbilds in den Menschen durch die Wiedergeburt und die Ausgestaltung des göttlichen Ebenbilds in der Heiligung und Erneuerung.

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 Die subjektive Befähigung, die objektive Wirkung des Geistes aufzunehmen, ist der Glaube, mitgeteilt vom heiligen Geist, wie alle geistlichen Kräfte, 1. Joh. 5, 1 (regeneratio formaliter est donatio fidei). Der Glaube ist der rechtfertigende und hat alle Kräfte der Heiligung in sich. Dieser Glaube, weil er wie alle göttlichen Kräfte erst keimartig gesetzt ist, kann auch in den unmündigen Kindern, freilich nicht anders als durch die Taufe, gewirkt werden (gegen die Wiedertäufer). Was aber gegeben ist, die Gabe der Wiedergeburt, ist zugleich etwas, was frei angeeignet werden muß; das geschieht in der Bekehrung. „Nur in der Einheit von Wiedergeburt und Bekehrung ist der Mensch ein Wiedergeborner,“ d. h. im Zustande, in der Gnade der Wiedergeburt. Durch die Wiedergeburt ist gesetzt ein neues Verwandtschaftsverhältnis, zu Gott, zu den andern Wiedergebornen. Kindschaft Gottes. Gott unser Vater, Eph. 3, 15, das Christentum Zugehörigkeit zur Gottesfamilie: „der Vater“ im 1. Johannesbrief; Jesus unser Bruder, Joh. 20, 17 und Hebr. 2, 11. Neues Recht und Anwartschaft auf das Erbe, Röm. 8, 14–17; Brüderschaft, 1. Petr. 2, 17; 5, 9. Zug der Ähnlichkeit mit ihm, gegründet auf die Erwählung, Wahl der Gnaden, 2. Thess. 2, 13. Neues ethisches Verhältnis zu Gott und den Brüdern: die Gottes- und Bruderliebe, gegründet auf Gegenseitigkeit (Gal. 4, 6; 1. Joh. 3, 1; 5, 2), die ihren Ursprung von oben hat, 1. Joh. 4, 7, und himmlischer Natur ist. Damit ist ein neues Motiv ins Menschenherz gegeben. Darauf gründet sich eine neue Weise der göttlichen Erziehung (παιδεία), Hebr. 12, 7, und eine neue Familiengemeinschaft, ein neues geistliches Familienleben, in dem die Glieder ihre göttliche Art, ihren Adel, ihre Gottähnlichkeit mitten in der sündigen Welt zur Erscheinung bringen sollen, darum der entschiedenste