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 Indem nun inmitten der alten menschlichen Natur, des bisherigen Wesensbestandes des Menschen, ein neuer Anfang schöpferisch gesetzt, der Keim des neuen Lebens in den Menschen gesenkt wird, wird das Leben des Christen von nun an ein Doppelleben. Es steht sich ein neuer und alter Mensch gegenüber. Es entsteht eine Zweiheit im Menschen. Es erhebt sich die Frage, ob denn nicht dadurch die Einheit des menschlichen Personlebens gestört wird. Ein gewisser Dualismus entsteht im Menschen, aber der bekehrte Mensch weiß sich als Ich identisch mit dem natürlichen Menschen. Es ist die Einheit der Person nicht aufgegeben. Schon in dem edleren natürlichen Menschen können zwei zu einer Art von Zentren sich verfestigende Richtungen des Begehrens und Strebens sein, wie das Dichterwort sagt: „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust!“ Dies Analogon zeigt uns, daß die Einheit der Person durch jene Zweiheit nicht aufgehoben wird. Die Zweiheit in dem Wiedergebornen ist eine solche, welche bestimmt ist, nicht zu dauern, sondern aufzuhören, indem der im innersten Zentrum sich befindende neue Mensch den alten immer mehr aus seinem bisherigen Herrschaftsgebiet verdrängt. Annäherungsweise wird so die Duplizität aufgehoben. Da die Erneuerung vor allen Dingen am Willen vor sich geht, indem der Wille geneigt wird, das Gute zu wollen, und die Kraft erhält, es zu wollen und zu können, rückt nun der neue Mensch in das Zentrum der Persönlichkeit ein; denn der Wille ist ja der Mittelpunkt des persönlichen Lebens. Der alte Mensch wird hinausgedrängt in die Peripherie des menschlichen Lebens, d. h. er hat seine Macht im Triebleben, im Begehrungsvermögen des Menschen (denn da nistet er und erzeugt allerlei böse Begierde und Lust), im Sinnenleben des Menschen. Hier setzt der Feind sich fest und leistet nochmals, ja lebenslang Widerstand und sucht vom niederen Seelenleben des Menschen aus immerfort wieder den Willen für sich zu gewinnen, was ihm auch oft genug gelingt. So oft es zu einer Sünde kommt, geschieht dies ja nicht anders, als daß der Wille erstürmt, für das Böse gewonnen und zur Einwilligung geneigt gemacht wird.

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 Die Wiedergeburt ist in der Taufe abgeschlossen, so gewiß als die leibliche Geburt auch ein vorübergehender und dann abgeschlossener Akt ist. Nur ist natürlich nicht zu vergessen, daß, wie bei der leiblichen Geburt der Mensch eben ein Kind ist, völlig unentwickelt und unentfaltet, so auch der geistliche Mensch, der durch die Wiedergeburt gesetzt ist, auch