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was wir schon besitzen, das relativ geringere ist. „Wo Vergebung der Sünden ist, da ist schon Leben und Seligkeit.“ „Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben.“ „Wir sind schon selig, doch in der Hoffnung,“ doch wir sind es schon, wir haben auch das ewige Leben schon, wenn wir glauben, 1. Joh. 3, 2; Röm. 8, 17. Auch das Leiden dieser Zeit darf nicht so schwer ins Gewicht fallen, daß uns der Heilsbesitz, den wir schon haben, dadurch in unsern Augen verringert wird, daß uns die Gegenwart unbefriedigt und unbefriedigend erscheint, daß wir das, was unser Herz erfüllt und uns selig macht, erst von der Zukunft erwarten dürfen. Wir rühmen uns der Trübsale, Röm. 5, 3. „Die Leiden dieser Zeit sind nicht wert der Herrlichkeit, die an uns soll offenbart werden.“ „Unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schaffet eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit.“ Wenn man also darauf das Gewicht legt, daß wir im Glauben ja schon teils erfüllt und verwirklicht, teils in sicherer Aussicht das ganze Heil haben, dann ist klar, wie im Glauben auch die Hoffnung mit enthalten ist. Nur wenn wir wiederum abstrakt trennen und scheiden zwischen dem schon verwirklichten Heil, das wir im Glauben besitzen, und den zu hoffenden Heilsgütern der Zukunft, kommen wir auf den Unterschied zu sprechen zwischen Glauben und Hoffnung.

 Wie sehr Glaube und Hoffnung in einander verfließen, kann man aus der Stelle Hebr. 11, 1 erkennen: „Der Glaube ist eine gewisse Zuversicht dessen, das man hofft.“ Der Apostel hat eben Ursache, den Glauben von dieser Seite zu fassen, weil die Hebräer wankelmütig waren, unzufrieden mit der Gegenwart und meinten, das, was sie besäßen, sei das Opfer nicht wert, das sie bringen mußten. Darum hat der Apostel sie getröstet mit der Zukunft. Im Alten Testament begegnet uns demnach das Wort „Glauben“ seltner, das Wort „Hoffnung“ aber häufiger. Da das Heil noch nicht wesentlich verwirklicht war, so war der Glaube wesentlich eine Hoffnung. Beide aber haben es zu thun mit Gütern der unsichtbaren, zukünftigen Welt.

 Wie verhalten sich aber Glaube, Liebe, Hoffnung zu einander?

 „Der Glaube hanget am verheißenden Wort, die Liebe an dem gebenden Gott, die Hoffnung am verheißenen Gut. – Der Glaube nimmt und hat; die Liebe gibt; die Hoffnung harrt. – Der Glaube macht das Herz fest, die Liebe weich, die Hoffnung weit. – Der Glaube hält fest am Empfangenen; die Liebe entäußert sich des