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 Diese wesentliche Einheit von Glaube und Liebe können wir auch nach einer andern Seite hin bestätigt finden. Die Wirkung des Glaubens in Bezug auf unser Verhältnis zu Gott ist Versetzung in die Gemeinschaft mit Gott. Die Liebe aber wirkt, allerdings aber auf Grundlage des Glaubens, eben dasselbe. Nach 1. Joh. 14, 15 u. 22 ist Liebe die Kraft zur Erfüllung der Gebote und diese wieder Bedingung zur Offenbarung Gottes, zu seiner Einwohnung sowie zum Fruchtbringen, c. 15, 7, und zum Bleiben in Christo, 15, 10. Beim Glauben kommt aber sonst mehr die rezeptive Seite in Betracht, bei der Liebe mehr das Sichhingeben an Gott. Die vollkommene Liebe kennt kein sich Fürchten vor Gott, sie hat Zuversicht am Tag des Gerichts, 1. Joh. 4, 17–18. In dieser Zuversicht ist Glaube, wie Ähnliches bei der Bruderliebe, 1. Kor. 13, 7. Liebe ist die Blüte der Glaubenspflanze, die gute Frucht am guten Baum. Insofern ist die Liebe größer als der Glaube, d. h. sie bezeichnet eine höhere Stufe sittlicher Vollendung, während ja allerdings für die Frage nach dem Heil und der ewigen Seligkeit der Glaube das größte ist. Der Glaube ist eine Wirkung des heiligen Geistes und empfängt den heiligen Geist, durch welchen die Liebe Gottes in die Herzen ausgegossen wird, Röm. 5, 5. So ist denn die Liebe gleichfalls die Summe und Spitze der Religion subjektiv und objektiv zugleich, der Inbegriff und die Spitze der Sittlichkeit. Sie ist Gesetz und Evangelium in Einem Inhalt, in Einer Form und in Einer Kraft zusammengefaßt, Jesum liebhaben ist die Summe aller Religion und Sittlichkeit, Joh. 14, 15–21. In der Liebe zu Gott und Christo ist aber die Liebe zu den Brüdern, zu den Menschen im allgemeinen und zu dem Nächsten mitgesetzt, 1. Joh. 5, 1. Darum ist in der Liebe die Erfüllung des ganzen Gesetzes gegeben, Matth. 22, 37; Röm. 13, 10. Unter dem Gesichtspunkt der Liebe schlechtweg erscheint das christliche Leben Apok. 2, 4.

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 Noch leichter ist der Nachweis, daß auch die Hoffnung mit dem Glauben wesentlich eins ist. Glaube und Hoffnung unterscheiden sich nur insofern, als das Objekt des Glaubens Thatsachen, Heilsthatsachen der Vergangenheit sind, die aber freilich für den Glauben immerwährende, lebendige Gegenwart sind, und der daraus folgende Thatbestand des Heils, während Objekt der Hoffnung das Heilsgut der Zukunft ist. Da ist es nun auch unzweifelhafte Anschauung der heiligen Schrift, daß das wesentliche Heil uns schon im Glauben geschenkt ist, so daß dasjenige, dessen wir zu warten haben, im Vergleich zu dem,