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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8
Fürst Bismarck gegen den Universitätsprofessor Dr. Theodor Mommsen

wenn sie auch der höchste Mann in die Hand nehme“, geht ohne Zweifel auf den Fürsten Bismarck, wenn auch zuzugeben ist, daß es neben dem Reichskanzler noch andere bedeutende Männer und noch einen Höheren im Staate gibt. Der Eindruck, welchen diese Rede bei der Zuhörerschaft hat erregen müssen, kann gar nicht zweifelhaft sein. Es entspricht dieser Angriff auf den Fürsten Bismarck auch ganz den Neigungen des Angeklagten, denn das ceterum censeo in seinen verschiedensten Reden und Briefen geht immer dahin: Das Bürgertum müsse kämpfen gegen den Mann, der keinen anderen gegen sich dulde. Wenn man solche Extravaganzen gerichtlich verfolgt, so tut man dem politischen freien Gedankenaustausch keineswegs Zwang an, denn solche direkten beleidigenden Worte dürfen in der politischen Diskussion nicht gestattet werden. Der Abg. Wöllmer hat gerade in jener Versammlung bewiesen, wie gut es möglich ist, eine scharfe Kritik zu üben, ohne die parlamentarischen Grenzen zu überschreiten. Nach meiner Ansicht muß der Angeklagte wegen dieser Rede bestraft werden. Ich beantrage eine Geldstrafe von 500 Mark. – Verteidiger, Justizrat Makower: Zwei Fürsten vertreten entgegengesetzte Ansichten über das, was unserem Vaterlande frommt, ein Fürst der Diplomatie und ein Fürst der Wissenschaft, ein Mann, der Geschichte macht, und ein Mann, der Geschichte schreibt. Der Verteidigung ist bei solchem Meinungsstreit eine bescheidene Rolle zugewiesen; sie namentlich muß untersuchen, auf welcher Seite das Richtige liegt. Dieser große, für die Geschicke der Nation wichtige Gegensatz findet den würdigsten Boden der Erörterung im Reichstage der deutschen Nation. Hier haben wir es nur mit einem ganz kleinen Ausläufer jenes großen Meinungsgegensatzes zu tun. Niemandem wird es entgehen, daß damit die große Frage auf ein kleines Niveau herabgedrückt wird. Man würde sich wundern, daß solche große und gewaltige Frage auf einem Privatgebiet ausgefochten werden soll, wenn man nicht daran

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_8_(1913).djvu/35&oldid=- (Version vom 1.8.2018)