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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8

war einmal ihre übergroße Sinnlichkeit und andererseits ihre Habsucht. Die Angeklagte hatte bei jeder Ehe einen neuen Mann und auch immer neues Geld, denn sie wendete sich nicht an die armen Jünglinge des Dorfes, sondern immer an die begüterten, die sämtlich tausend und mehr Taler und viel Vieh mitbrachten. Sollten Sie, meine Herren Geschworenen, woran ich nicht zweifle, von der Schuld der Angeklagten überzeugt sein, dann hoffe ich, daß Sie nicht Milde walten lassen werden. Der Richter und auch der Geschworene steht unter dem Gesetz und darf sich von der Milde nicht zu einem Fehlspruch verleiten lassen. Woher sollte auch die Milde kommen? Hat die Angeklagte gegen ihre vier Ehemänner Milde geübt? Sie hat drei blühende Menschenleben durch Gift vernichtet und in einem Falle mindestens den Versuch hierzu unternommen. Sie hat ihre Männer zum Tode verurteilt, die ihr nichts weiter getan, als daß sie ihr die Hand zum Ehebunde gereicht haben. Wenn Sie die Angeklagte verurteilen, dann treffen Sie jedenfalls eine Schuldige. – Verteidiger, Justizrat Wolski: Ich gebe zu, daß die Verhandlung ein schauderhaftes Bild entrollt hat. Die Angeklagte ist auch der zur Anklage stehenden Verbrechen dringend verdächtig. Es liegt aber kein bestimmter Beweis vor, daß alle vier Ehemänner durch Arsenikvergiftung gestorben sind und auch nicht, daß die Angeklagte die Täterin war. Man wird nur annehmen können, daß Wiescholleck an Arsenikvergiftung gestorben ist, man kann auch annehmen, daß diesem das Gift von dritter Hand beigebracht worden ist. Es ist aber nicht bewiesen, daß diese Tat die Angeklagte begangen hat. Es ist nicht unmöglich, daß die Mutter der Angeklagten die Täterin war. In einem Falle, wo es sich um Leben und Tod handelt, kann man nur auf Schuldig erkennen, wenn die Schuld klar erwiesen ist, da die Vollstreckung des Urteils nicht mehr repariert werden könnte. Erwägen Sie, meine Herren Geschworenen, daß nur der Schein für die Schuld der Angeklagten spricht, und daß die

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_8_(1913).djvu/30&oldid=- (Version vom 31.12.2023)