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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8

als Zeugin vorgeführt. Sie bekundete auf Befragen des Vorsitzenden: Ich verbüße eine längere Gefängnisstrafe wegen Kindesmordes. Als ich hier in Untersuchungshaft saß, sagte die Angeklagte einmal zu mir: Gestehen Sie nur nicht, sondern sagen Sie immer nein. Wenn man vor Gericht immer nein sagt, dann kommt man am besten weg. – Die Angeklagte bestritt mit großer Entschiedenheit, eine solche Äußerung zu der Zeugin getan zu haben. Sie habe die Zeugin ausgefragt, ob sie schuldig sei und ihre Schuld eingeräumt habe. Die Zeugin müsse sie mißverstanden haben. – Auf Befragen des Vorsitzenden sagte die Zeugin: Sie habe die Angeklagte nicht mißverstanden, sie halte ihre Aussage in vollem Umfange aufrecht. – Auf Auffordern des Vorsitzenden wiederholte die Zeugin ihre Aussage in polnischer Sprache. – Die Angeklagte beteuerte wiederholt, daß sie eine solche Bemerkung nicht gemacht habe. – Gerichtschemiker Medizinalassessor Dr. Gutzeit (Königsberg) wurde alsdann als Sachverständiger vernommen: Im Mai v. J. wurden mir in verschiedenen Gefäßen innere Teile von der ausgegrabenen Leiche des Wiescholleck, Magen, Leber, Nieren, Schädel-, Handknochen, sowie Teile vom Sargboden, Sargdeckel und dem Stroh, auf dem die Leiche gebettet war, zur Untersuchung gesandt. In den mir übergebenen Körperteilen habe ich 69 Milligramm Arsenik gefunden. Es ist aber anzunehmen, daß in der Leiche mehr als die doppelte Menge enthalten war. Nach dem jetzigen Stande der Wissenschaft ist der Genuß von 20 Milligramm Arsenik unschädlich. 50 Milligramm wirken bereits gesundheitsschädlich, 100 Milligramm wirken tödlich. Von Giftmördern wird vielfach behauptet: das Arsenik könne von außen in die Leiche gekommen sein. Es ist daher wichtig, daß weder in der Erde, noch im Sargdeckel, dagegen im Stroh und im Sargboden Arsenik gefunden wurde. Daraus geht hervor, daß von außen Arsenik nicht in die Leiche gekommen ist. Ich resümiere mich dahin: Das Arsenik ist bei Lebzeiten

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_8_(1913).djvu/25&oldid=- (Version vom 31.12.2023)