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vorherzusagen. Sie sehen aber, wie immer man über den Wert der Graphologie denken mag, es ist unverkennbar, daß der Sachverständige, wenn er versprach, daß der Schreiber der ihm vorgelegten Probe sich in den nächsten Tagen umbringen werde, wiederum nur einen starken geheimen Wunsch der ihn befragenden Person ans Licht gezogen hatte. Etwas ähnliches geschah dann auch beim zweiten Gutachten, nur daß hier nicht ein unbewußter Wunsch in Betracht kam, sondern daß die keimenden Zweifel und Besorgnisse des Befragenden durch den Mund des Schriftkundigen einen klaren Ausdruck fanden. Meinem Patienten gelang es übrigens mit Hilfe der Analyse eine Liebeswahl zu treffen außerhalb des Zauberkreises, in den er gebannt gewesen war.

Meine Damen und Herren! Sie haben nun gehört, was die Traumdeutung und die Psychoanalyse überhaupt für den Okkultismus leistet. Sie haben an Beispielen gesehen, daß durch ihre Anwendung okkulte Tatbestände klar gemacht werden, die sonst unkenntlich geblieben wären. Die Frage, die Sie gewiß am meisten interessiert, ob man an die objektive Realität dieser Bestände glauben darf, kann die Psychoanalyse nicht direkt beantworten, aber das mit ihrer Hilfe zu Tage geförderte Material macht wenigstens einen der Bejahung günstigen Eindruck. Dabei wird Ihr Interesse nicht Halt machen. Sie werden wissen wollen, zu welchen Schlüssen jenes ungleich reichere Material berechtigt, an dem die Psychoanalyse keinen Anteil hat. Dahin kann ich Ihnen aber nicht folgen, es ist nicht

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Sigmund Freud: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien 1933, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Neue_Folge_der_Vorlesungen_zur_Einfuehrung_in_die_Psychoanalyse_1933.pdf/65&oldid=- (Version vom 21.5.2018)