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besser durchschaute. Ich für meinen Teil, ehe ich daran glaube, daß man aus astrologischen Tafeln den Eintritt einer Krebs- oder Austernvergiftung berechnen kann, will lieber annehmen, daß mein Patient den Haß gegen den Rivalen noch immer nicht überwunden hatte, an dessen Verdrängung er seinerzeit erkrankt war, und daß die Astrologin einfach seine eigene Erwartung aussprach: solche Liebhabereien gibt man nicht auf und eines Tages wird er doch daran zu Grund gehen. Ich gestehe, daß ich für diesen Fall keine andere Erklärung weiß außer vielleicht, daß mein Patient sich einen Scherz mit mir erlaubt hat. Aber er gab mir weder damals noch später Grund zu diesem Verdacht und schien, was er sagte, ernsthaft zu meinen.

Ein anderer Fall. Ein junger Mann in angesehener Stellung unterhält ein Verhältnis mit einer Lebedame, in dem sich ein merkwürdiger Zwang durchsetzt. Von Zeit zu Zeit muß er die Geliebte durch spottende und höhnende Reden kränken, bis sie in helle Verzweiflung gerät. Hat er sie so weit gebracht, so ist er erleichtert, er versöhnt sich mit ihr und beschenkt sie. Aber er möchte jetzt frei von ihr werden, der Zwang ist ihm unheimlich, er merkt, daß sein eigener Ruf unter diesem Verhältnis leidet, er will eine eigene Frau haben, eine Familie gründen. Nur, daß er mit eigener Kraft nicht von der Lebedame loskommt, er nimmt dazu die Hilfe der Analyse in Anspruch. Nach einer solchen Beschimpfungsszene, schon während der Analyse, läßt er sich von ihr ein Kärtchen schreiben, das er einem Schriftkundigen vorlegt. Die Auskunft, die er von ihm

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Sigmund Freud: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien 1933, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Neue_Folge_der_Vorlesungen_zur_Einfuehrung_in_die_Psychoanalyse_1933.pdf/62&oldid=- (Version vom 21.5.2018)