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vergessen dürfen, der im Laufe der Zeiten dieses Material betroffen hat. Unsere Deutungsarbeit deckt sozusagen den Rohstoff auf, der häufig genug im weitesten Sinne sexuell zu nennen ist, aber in späterer Bearbeitung die verschiedenartigste Verwendung fand. Solche Zurückführungen pflegen uns den Zorn aller nicht analytisch gerichteten Forscher einzutragen, als ob wir alles, was sich an späteren Entwicklungen darüber aufgebaut, leugnen oder geringschätzen wollten. Nichts desto weniger sind solche Einsichten lehrreich und interessant. Das Gleiche gilt für die Ableitung gewisser Motive der bildenden Kunst, wenn z. B. J. Eisler[WS 1] (1919) nach der Anleitung von Träumen seiner Patienten den mit einem Knäblein spielenden Jüngling, der im Hermes des Praxiteles dargestellt ist, analytisch deutet. Nur noch ein Wort, aber ich kann es mir nicht versagen zu erwähnen, wie häufig gerade mythologische Themen durch die Traumdeutung Aufklärung finden. So läßt sich z. B. die Labyrinthsage als Darstellung einer analen Geburt erkennen; die verschlungenen Gänge sind der Darm, der Ariadnefaden die Nabelschnur.

Die Darstellungsweisen der Traumarbeit, ein reizvoller und kaum zu erschöpfender Stoff, sind uns durch eingehendes Studium immer vertrauter worden; ich will Ihnen auch davon einige Proben geben. So z. B. stellt der Traum die Relation der Häufigkeit durch die Vervielfältigung von Gleichartigem dar. Hören Sie den sonderbaren Traum eines jungen Mädchens an: Sie tritt in einen großen Saal ein und findet in ihm eine Person auf einem Stuhl sitzend, sechs-, achtmal, noch öfter wiederholt,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Michael Josef Eisler, Budapest, Autor von „Über einen besonderen Traumtyp. Beitrag zur Analyse der Landschaftsempfindung“. Aus: Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften. (6) – 1920. UB Heidelberg. Abgerufen am 12. April 2018.
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Sigmund Freud: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien 1933, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Neue_Folge_der_Vorlesungen_zur_Einfuehrung_in_die_Psychoanalyse_1933.pdf/35&oldid=- (Version vom 13.5.2021)