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der manifeste Traum ersetzt hat. Dann fällt uns unter ihnen ein Unterschied auf und dieser Unterschied wird uns weit führen. Fast alle dieser Traumgedanken werden vom Träumer erkannt oder anerkannt; er gibt zu, er hat so gedacht, diesmal oder ein ander Mal, oder er hätte so denken können. Nur gegen die Annahme eines einzigen sträubt er sich; der ist ihm fremd, vielleicht sogar widerlich; möglicher Weise wird er ihn in leidenschaftlicher Erregung von sich weisen. Nun wird uns klar, die anderen Gedanken sind Stücke seines bewußten, korrekter gesagt: vorbewußten Denkens; sie hätten auch im Wachleben gedacht werden können, haben sich auch wahrscheinlich tagsüber gebildet. Dieser eine verleugnete Gedanke aber, oder richtiger diese eine Regung, ist ein Kind der Nacht; sie gehört dem Unbewußten des Träumers an, wird darum von ihm verleugnet und verworfen. Sie mußte den nächtlichen Nachlaß der Verdrängung abwarten, um es zu irgendeiner Art von Ausdruck zu bringen. Immerhin ist dieser Ausdruck ein abgeschwächter, entstellter, verkleideter; ohne die Arbeit der Traumdeutung hätten wir ihn nicht gefunden. Der Verknüpfung mit den anderen einwandfreien Traumgedanken dankt diese unbewußte Regung die Gelegenheit, sich in einer unscheinbaren Verkleidung durch die Schranke der Zensur einzuschleichen; anderseits danken die vorbewußten Traumgedanken dieser selben Verknüpfung die Macht, das Seelenleben auch während des Schlafs zu beschäftigen. Denn uns bleibt kein Zweifel daran: Diese unbewußte Regung ist der eigentliche Schöpfer des Traums, sie bringt die psychische Energie

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Sigmund Freud: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien 1933, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Neue_Folge_der_Vorlesungen_zur_Einfuehrung_in_die_Psychoanalyse_1933.pdf/25&oldid=- (Version vom 21.5.2018)