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unerreichbar bei Seite geworfen hat, kann die Analyse nachweisen, daß er im Unbewußten erhalten geblieben ist und eine ansehnliche Energiebesetzung bewahrt hat. Der Wunsch, den ersehnten Penis endlich doch zu bekommen, kann noch seinen Beitrag zu den Motiven leisten, die das gereifte Weib in die Analyse drängen, und was sie verständiger Weise von der Analyse erwarten kann, etwa die Fähigkeit, einen intellektuellen Beruf auszuüben, läßt sich oft als eine sublimierte Abwandlung dieses verdrängten Wunsches erkennen.

An der Bedeutsamkeit des Penisneides kann man nicht gut zweifeln. Hören Sie sich als ein Beispiel männlicher Ungerechtigkeit die Behauptung an, daß Neid und Eifersucht im Seelenleben der Frauen eine noch größere Rolle spielen als bei den Männern. Nicht daß diese Eigenschaften bei Männern vermißt würden oder daß sie bei Frauen keine andere Wurzel hätten als den Penisneid, aber wir sind geneigt, das Mehr bei den Frauen diesem letzteren Einfluß zuzuschreiben. Es hat sich aber bei manchen Analytikern die Neigung ergeben, jenen ersten Schub von Penisneid, in der phallischen Phase, in seiner Bedeutung herabzudrücken. Sie meinen, was man von dieser Einstellung bei der Frau findet, sei der Hauptsache nach eine sekundäre Bildung, die bei Gelegenheit späterer Konflikte durch Regression auf jene frühinfantile Regung zu Stande gekommen. Nun ist das ein allgemeines Problem der Tiefenpsychologie. Bei vielen pathologischen – oder auch nur ungewöhnlichen – Triebeinstellungen z. B. bei allen sexuellen Perversionen fragt es sich, wieviel von

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Sigmund Freud: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien 1933, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Neue_Folge_der_Vorlesungen_zur_Einfuehrung_in_die_Psychoanalyse_1933.pdf/174&oldid=- (Version vom 21.5.2018)