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zu bewahren. Gewiß eine traurige Eröffnung für den Ethiker!

Aber der Ethiker wird sich noch auf lange hinaus mit der Unwahrscheinlichkeit unserer Spekulationen trösten. Ein sonderbarer Trieb, der sich mit der Zerstörung seines eigenen organischen Heims befaßt! Die Dichter sprechen zwar von solchen Dingen, aber Dichter sind unverantwortlich, sie genießen das Vorrecht der poetischen Lizenz. Allerdings sind ähnliche Vorstellungen auch der Physiologie nicht fremd, z. B. die der Magenschleimhaut, die sich selbst verdaut. Aber es ist zuzugeben, daß unser Selbstzerstörungstrieb einer breiteren Unterstützung bedarf. Eine Annahme von solcher Tragweite kann man doch nicht bloß darum wagen, weil einige arme Narren ihre Sexualbefriedigung an eine sonderbare Bedingung geknüpft haben. Ich meine, ein vertieftes Studium der Triebe wird uns geben, was wir brauchen. Die Triebe regieren nicht allein das seelische, sondern auch das vegetative Leben, und diese organischen Triebe zeigen einen Charakterzug, der unser stärkstes Interesse verdient. Ob es ein allgemeiner Charakter der Triebe ist, werden wir erst später beurteilen können. Sie enthüllen sich nämlich als Bestreben, einen früheren Zustand wieder herzustellen. Wir können annehmen, vom Moment an, da ein solcher einmal erreichter Zustand gestört worden, entsteht ein Trieb, ihn neu zu schaffen und bringt Phänomene hervor, die wir als Wiederholungszwang bezeichnen können. So ist die Embryologie ein einziges Stück Wiederholungszwang; weit hinauf in die Tierreihe

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Sigmund Freud: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien 1933, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Neue_Folge_der_Vorlesungen_zur_Einfuehrung_in_die_Psychoanalyse_1933.pdf/146&oldid=- (Version vom 21.5.2018)