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gepflogenen Verhandlungen wird die Hoffnung geäussert, das Präsent zur „Devincirung“ des Reichsvicekanzlers werde zugleich dazu dienen, einzelne bestimmte Schwierigkeiten zu erledigen. Keine wird häufiger genannt als die „wegen des Gesandtschaftshauses“.

Darunter verstand man das am Neuenwall belegene, noch jetzt als „Stadthaus“ bekannte Gebäude, zu Anfang des 18. Jahrhunderts von dem herzoglich holstein’schen Premierminister Grafen von Görtz, der 1719 zu Stockholm hingerichtet wurde, erbaut[1] und noch zu Ende des Jahrhunderts als das grösste, schönste und bestgebaute Haus in der Stadt bezeichnet[2]. Die Erben des Grafen Görtz hatten es an die Stadt verkauft, die es um 1720 dem Grafen von Metsch, zur Zeit kaiserlichen Gesandten im niedersächsischen Kreise, als Wohnung unentgeltlich einräumte. Die freie Ueberlassung dieses Hauses an den kaiserlichen Gesandten war eine der Bedingungen gewesen, welche Hamburg als Sühne für die in einem Pöbelauflaufe am 10. September 1719 zerstörte kaiserliche Gesandtschaftskapelle hatte auf sich nehmen müssen. Hamburg fasste das Wohnungsrecht des Gesandten als eine persönliche Dienstbarkeit auf, die die Stadt dem Kaiser als satisfactio für die ihm in der Person seines Gesandten zugefügte Beleidigung eingeräumt hatte, und sah consequent das Recht mit dem Tode des Berechtigten als erloschen an. Am kaiserlichen Hofe herrschte dagegen die Ansicht, der jeweilige Kaiser sei für seine Gesandten die freie Benutzung des gedachten Hauses zu fordern berechtigt[3]. Münchhausen erwartete von der Persönlichkeit des neu ernannten ihm von Alters her befreundeten Ministers für den niedersächsischen Kreis, dem Grafen von Bünau, „welcher die Reichshistorie geschrieben“[4], wie von dem neuen Reichsvicekanzler einen Ausgleich des Gegensatzes. Beides erwies sich als trügerisch. Bei der Verabschiedung empfahlen der Kaiser und sein Bruder, der Erzbischof von Cöln, dem Grafen


  1. Gaedechens, histor. Topographie der St. Hamburg (1880) S. 158. 193.
  2. Büsch, Versuch e. Geschichte der Hamburgischen Handlung (1797) S. 82.
  3. Surland an Münchhausen 28. Febr., 17. März 1742 (StA. Hannover); Münchhausen an Surland 10. März 1742 (StA. Hamburg).
  4. Münchhausen an Surland 17. Febr. (StA. Hamburg).
Empfohlene Zitierweise:
Ferdinand Frensdorff: Das Reich und die Hansestädte. Weimar: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, Bd. 20 = 33 , 1899, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Frensdorff_Das_Reich_und_die_Hansest%C3%A4dte_157.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)