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Die Urkunde, die sich seit 1619 selbst als Capitulation bezeichnet[1] zerfällt in einen referirenden und einen dispositiven Theil. In jenem wird berichtet, dass der Neugewählte sich bei Annahme der Wahl mit den Wählern über eine Reihe von Bestimmungen geeinigt habe, nach denen die Regierung des Reichs in der Zeit seines königlichen Amts geführt werden solle. Der dispositive Theil zählt in Artikel[2] gegliedert die einzelnen Bestimmungen auf. In dem einen wie dem andern Theile spricht der Gewählte. Die WC. hat also ungeachtet ihrer Vertragsnatur nicht die Form eines Vertragsinstruments. Der Eingang der Artikel lautet: wir versprechen und geloben, wir gereden[3] und versprechen, wir wollen nicht gestatten, wir lassen auch zu. Am häufigsten aber: wir sollen und wollen. Damit ist der treffendste Ausdruck für das Rechtsverhältniss gefunden: das auf Grund vertragsmässiger Einigung abgegebene freie Versprechen. Das: „wir sollen und wollen“ wiederholen deshalb alle Wahlcapitulationen von der ältesten bis zur jüngsten, wie sie auch alle aus der WC. Kaiser Karls V. den Eingang beibehalten: „daz wir uns aus freiem genedigen willen diser nachfolgenden artigkel“ mit den Kurfürsten vereinigt haben.

Ist das Zustandekommen eines Vertrags von öffentlich-rechtlichem Inhalt im Rechte alter und neuer Zeit an erschwerende und sichernde Formen und Bedingungen geknüpft, so gilt das von den WC. in erhöhtem Masse, theils wegen ihrer inneren Wichtigkeit, theils wegen der Nothwendigkeit, anstatt mit dem zu Verpflichtenden mit seinen Vertretern zu verhandeln und abzuschliessen. Die Vertragschliessenden sind die Kurfürsten und die bevollmächtigten Vertreter, Commissarien[4], des zu Erwählenden. Die Kurfürsten


  1. Capit. Ferd.II. art. 42; capit. Ferd. III. art. 51 (Ziegler S. 118 und 151). Vorher fehlt es an einer feststehenden oder an einer zusammenfassenden Bezeichnung. Zusage, Verwilligung und dgl. wird gebraucht, oder „diese Artikel und Puncte“, eine überhaupt für den Inhalt der Reichsgesetze gern verwendete Formel: RA. 1507 §30, 1512 §23, 1524 init. Lateinisch sagte man: capitulatio caesarea. I. P. O. VIII § 3.
  2. Schon in der WC. Karls V. technisch gebraucht: art. 1 und art. 34.
  3. Verstärkende Form für reden, wie geloben für loben, in den Reichsgesetzen dieser Zeit häufiger begegnend. Grimm, Wb. IV 1b Sp. 3617.
  4. Die Bezeichnung wird schon 1519 gebraucht RTA. I 887.
Empfohlene Zitierweise:
Ferdinand Frensdorff: Das Reich und die Hansestädte. Weimar: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, Bd. 20 = 33 , 1899, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Frensdorff_Das_Reich_und_die_Hansest%C3%A4dte_117.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)