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Franz Delitzsch: Die bayerische Abendmahlsgemeinschaftsfrage. Ein Anfang eingehender Erörterung

 1) Die erste Einsprache lautet, daß das Heil der lutherischen Kirche nicht in Repristinirung eines früheren einseitig doktrinellen, überspannt rigorosen Standpunkts bestehe, der sie schon einmal dem Untergange nahe gebracht hat, sondern in frischerer und freierer Wiedererstehung aus ihrer in den Tod . gegebenen Vergangenheit. Diese allgemeine Prämisse, so verstanden wie sie von bekenntnißtreuen lutherischen Theologen der Gegenwart verstanden wird, ist wahr und beherzigenswerth. Aber es ergiebt sich daraus keine unseren obigen Ergebnissen widersprechende Folgerung. Wem fällt es denn ein, außer etwa einem Grabau, die consequenzmacherische und wechselseitig rohe Streitpraxis früherer Zeiten zu erneuern und die Dogmatik des 17. Jahrh. zum Symbol zu erheben? Von woher hat denn die von dem Grunde des kirchlichen Bekenntnisses aus fortschreitende und den substantiellen bekenntnißmäßigen Inhalt der Symbole von unwesentlichem Beiwerk und entwickelungbedürftigen Keimansätzen unterscheidende lutherische Theologie Verketzerung erfahren? Auf allen Seiten regt sich ein in die Zukunft gerichtetes Streben nach wahrem Fortschritt, und nicht nur das Gefühl des Bedürfnisses, sondern auch das gegenseitige Zugeständniß einer die Tradition durchbrechenden Freiheit ist hier allgemein. Selbst in der Lehre vom h. Abendmahl liegen kühne Fortbildungsversuche vor, zu denen auch Huschke’s Aufsatz über Wort und Sacrament als die Factoren der Kirche zu zählen ist. Aber mitten in all diesem Werden ist unserer Kirche die Ueberzeugung von der substantiellen Wahrheit ihres Bekenntnisses im Gegensatz zum reformirten neu besiegelt und man kann in Wahrheit sagen, daß die gesammte lutherische Theologie der Gegenwart in den der reformirten Kirche gegenüber festgehaltenen Dogmen lebt und webt. Das ist eine Thatsache, und es folgt daraus, daß die Kirche durch eine strengere Abendmahlspraxis nur bethätigt was ihr der h. Geist von neuem tief ins Herz gedrückt hat. Und die Vernichtung der Selbstständigkeit der

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Franz Delitzsch: Die bayerische Abendmahlsgemeinschaftsfrage. Ein Anfang eingehender Erörterung. Theodor Bläsing, Erlangen 1852, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Franz_Delitzsch_-_Die_bayerische_Abendmahlsgemeinschaftsfrage.pdf/29&oldid=- (Version vom 10.11.2016)