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Franz Delitzsch: Die bayerische Abendmahlsgemeinschaftsfrage. Ein Anfang eingehender Erörterung

 Handelt denn überhaupt die lutherische Kirche Recht, indem sie die Hand der Gemeinschaft, welche die reformirte ihr bietet, zurückweist?

 Denen welche Lust tragen, diese Frage zu verneinen, geben wir vorerst zu bedenken, daß wer sie verneint einen Strich der Verwerfung durch das ganze Werk der deutschen Reformation macht. Dann ist Luther, sind die Heroen unserer Kirche fleischlich gesinnte Starrköpfe gewesen, die den Streit lieber hatten als den Frieden, und eine jämmerliche Verblendung war’s, daß Joh. Arndt sich 1590 lieber seines Amtes in Badeborn entsetzen ließ, als daß er durch die unter andern Umständen unverfängliche Weglassung des Exorcismus der Hinneigung seines Fürsten zu reformirter Lehre nachgegeben hätte – eine jämmerliche Verblendung, daß Paul Gerhardt 1661 sein Amt niederlegte, weil die mit der Concordienformel unvereinbare churfürstliche Beschränkung der Polemik gegen reformirte Irrlehre sein Gewissen ängstete und kein Zureden, keine Concession des Churfürsten und seiner Gemahlin es zu beruhigen vermochten. „Ich fürchte mich für Gott, in dessen Anschauen ich hier auf Erden wandele, Unnd für welches gerichte ich auch dermahleins erscheinen muß, Unnd kan’s nach dem, wie mein Gewißen von jugend auff gestanden und noch itzo stehet, nicht anders befinden.“ So schrieb er dem Churfürsten und legte sein kaum wieder angetretenes Amt in Angst seines Gewissens freiwillig nieder.

 Bedenke doch: diese Männer, die unsere Kirche gepflanzt und begossen haben, deren Schriften vom himmlischem Balsam triefen, deren Lieder wie Blätter vom Baume des Lebens nie verwelken, diese Männer, welche den Werth einer Seele vor Gott nicht nach unfruchtbarer Erkenntniß, sondern nach dem rechtfertigenden Glauben und lebendiger Erfahrung bemaßen, waren so schroff, so exclusiv und wollten keinen Frieden als in Einheit der Wahrheit.

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Franz Delitzsch: Die bayerische Abendmahlsgemeinschaftsfrage. Ein Anfang eingehender Erörterung. Theodor Bläsing, Erlangen 1852, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Franz_Delitzsch_-_Die_bayerische_Abendmahlsgemeinschaftsfrage.pdf/13&oldid=- (Version vom 10.11.2016)