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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Das Herrenhaus steht noch, wie mir scheint.“ Philippi sprach mit zusammengebissenen Zähnen.

„Daß so ein Jammer über unser Gottesländchen kommen mußte! Womit haben wir das verschuldet?“ murmelte Doktor Sartorius. Auch ihm wurden die Augen feucht.

Es wurde eine schweigsame Fahrt. Keiner der beiden Männer sprach mehr ein Wort. An der verhängnisvollen Stelle vorüber flog der Schlitten, wo Ernst Philippi, von ein paar jungen Tannen notdürftig verdeckt, auf dem Schnee gelegen und den ganzen düstern Zug hatte vorüberschreiten sehen. Eisig kalt kroch es ihm über den Rücken. Unwillkürlich lockerte er die Zügel und ließ den schweißtriefenden Gaul eine Weile Schritt gehen. Hinter ihm her jagten die Kosaken heran und bogen links vom Hauptwege in der Richtung nach Finkenhorst ab. Schweigend fuhren die beiden Männer in den weißen Tannenwald hinein, ein jeder von ihnen war mit seinen trüben schweren Gedanken allein. Das qualvolle Blöken und Brüllen der Kinder tönte noch immer in ihren Ohren.

Was ist aus unserm Gottesländchen geworden? – Jetzt knatterte eine Salve von Flintenschüssen; sie kamen aus der Richtung von Finkenhorst.

Die Männer drückten einander stillschweigend die Hand.

Es war ein Uhr nachts, als das dampfende Tier vor dem Pastorat hielt.

Auf der Schwelle stand im Winterpelz eine zarte Mädchen­gestalt.

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/95&oldid=- (Version vom 1.8.2018)