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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

In atemloser Spannung lauschte die Gemeinde. Ein unterdrücktes Schluchzen seufzte durch die Kirche. Wie mit lichter Geisterhand hatte die große steinfeste Gesinnung Robert Bergers sich der versammelten Menge zauberkräftig mitgeteilt und hielt sie fest unter dem Bann seiner starken Persönlichkeit.

Nach dem kurzen Kanzelvers neigte sich der Pastor zum allgemeinen Kirchengebet ... „Laß’ deine Gnade groß werden über dem Kaiser, unserm Landesherrn, Nikolai Alexandrowitsch ...“

Da entstand[WS 1] eine plötzliche Bewegung im Hauptgange – – „Du Lügner!“ brüllte eine heisere Stimme. „Herunter von der Kanzel, du schwarzer Gottesknecht!“

Acht bis zehn unbekannte Männer drängten gewaltsam nach der Kanzel hin. Wie eine Mauer hatten sich der alte Krimpe, seine drei Söhne und Ernst Philippi erhoben und stellten sich in den Mittelgang vor die heranstürmende Schar.

„Ihr seid hier vor die unrechte Schmiede gekommen,“ sprach der Alte gebietend und hob seine Hand, „geht zurück, woher ihr gekommen seid!“

„Nieder, nieder mit dem Pfaffenknecht!“ Ein Faustschlag traf den Alten, daß er taumelte.

Hoch empor hielt der Vorderste der Bande, ein Riesenkerl, einen roten Sack. „Jetzt geht’s eurem Liebling an Hals und Kragen!“ brüllte er höhnisch, „vor allem soll er in den Sack!“

„Hinein in den Sack!“ johlte und zeterte die Bande und drängte wieder vorwärts.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: enstand
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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/84&oldid=- (Version vom 1.8.2018)