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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

dem krampfhaften Zucken ihrer Schultern sah Claire, daß sie leise vor sich hin weinte. – –

Die kleine Kirche war gedrängt voll. Kopf an Kopf saßen die Bauern auf den Bänken, Kopf an Kopf standen sie um den Altar und im Mittelgange. Auf der vordersten Bank saß der alte Krimpe, neben ihm seine drei Söhne und Ernst Philippi, vor ihnen stand eine Reihe lettischer Frauen. Die sechs Barone hatten sich rund um die Kanzel gruppiert.

Der Pastor trat auf die Kanzel und beugte sein Haupt zum stillen Gebet. Dann sah er auf und blickte ruhig in die versammelte Menge hinein. Laut und deutlich verlas er den heutigen Text vom verlorenen Sohn.

Ernst Philippis nervöse Züge zuckten, er wartete in äußerster Spannung.

Die Predigt begann. In lichten, klaren Worten legte Robert Berger die Stimmung des heimkehrenden verlorenen Sohnes dar. Furcht und Hoffnung, Heimweh und Sehnsucht zittern in des Jünglings Seele, dann aber bei den liebenden Worten des Vaters überbraust jubelnde Freude alle kleinmütigen Gedanken. In gottbeflügelten gewaltigen Tönen schilderte der Redner die verzeihende Liebe des Vaters, und seine Worte fanden in der horchenden Gemeinde einen wunderbaren Widerhall. Erhaben mutig stand der Mann da, hoch aufgerichtet, und Ernst Philippi wußte, sein Freund hatte sich die Seele freigeredet und war dem Schicksal gewachsen, in welcher Form es ihm auch nahen sollte.

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/83&oldid=- (Version vom 1.8.2018)