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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

„Du,“ begann sie wieder, „ich hab’ die Frau Pastorin doch bedeutend lieber als deinen Freund.“

„Hast du dir’s überlegt?“ Er lachte.

„Nein, ich verehre Pastor Berger nach wie vor, aber ich glaube, er mag mich nicht recht; so was fühlt sich.“

„So? Woraus schließt du denn das?“

„Er neckt mich ein bischen viel und stellt mir in jeder Be­ziehung seine Frau zum Vorbild.“

„Ja, mein Herz, das ist doch sehr nett von ihm. Seine Isa ist für ihn der höchste Maßstab.“

„Gut, gut,“ lachte Claire, „aber von der Unterrichtsmethode weiß ich doch mehr als sie. Der Pastor ist nicht ganz objektiv[WS 1]

Nun mußte Ernst Philippi herzlich lachen. „So wenig objektiv bin ich mit vollem Bewußtsein. Über meine Claire geht mir nichts und niemand.“

Sie schloß ihm den Mund mit einem Kuß. Der Fuchs bog jetzt in die Lindenallee, stieß ein fröhliches Wiehern aus und setzte sich in Trab.

„Er wittert seinen Stall,“ sagte Claire und rückte sich zurecht. „Nun ist’s auch für uns höchste Zeit, auf die Erde zurückzukehren und gesittet und vernünftig zu sein!“ – – – – – – – –

Robert Berger stand im Sonntagsornat. Isa hüllte sich in ihren Mantel.

„Du siehst blaß aus, Liebling,“ sagte er zu seiner Frau, „tu mir den Gefallen und komme heute nicht in die Kirche.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: objetiv
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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/80&oldid=- (Version vom 31.7.2018)