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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Bub, der in Bewußtlosigkeit versank, als er hörte, daß es nichts sei mit dem Schauspielern. Wenn Dein Vater dich jetzt sähe!“

„Ob er viel Freude an mir hätte?“

„Und ob!“ sagte sie mit leuchtendem Blick. „Stolz wär’ er auf dich!“

„Das ist mir denn doch durchaus nicht gewiß,“ meinte er mit skeptischem Lächeln. „Mein Vater war ein praktischer Mann, durch und durch Realist, unter den gegenwärtigen Verhältnissen würde er es für geratener halten, Schauspieler als Pastor zu sein.“

„Aber nein!“ rief sie entrüstet. „Du, ich hab’ übrigens einen Brief von Tante Griseldis.“

„Nun was schreibt sie?“

„Du sollst ihn selbst lesen. Sie gratuliert mir in höchst feierlichem Ton zu unserer Verlobung, zu ,der Wendung meines Geschicks’, wie sie sagt, aber eine verhaltene Trauer über das Stübchen im Katharinenstift, das nun leer bleiben soll, blickt noch durch. Die gute Tante Griseldis!“

Er drehte sich lachend um und sah sie zärtlich an. „Die armen Alten!“ sagte er mitleidig. „Claire, sind wir nicht glückliche Menschen?“

Sie schlug ihre Arme um seinen Nacken. „Ja!“ rief sie aus vollster Seele.

Sie schwiegen eine Weile. Die Reitdroschke rasselte langsam vorwärts und holperte stöhnend über Wurzelknorren.

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/79&oldid=- (Version vom 31.7.2018)