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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Baron Fink von Finkenhorst war ein ästhetischer Sonderling, Kunstkenner und Sammler. Vor allem interessierte er sich für Musik und besaß eine Sammlung aller möglichen und un­möglichen Instrumente. Für ein Spinett aus der Zeit Mozarts konnte er enorme Summen verschwenden. Sein Haus war geradezu ein Museum aller nur denkbaren Streich- und Blaßinstrumente, Harfen, Pauken, Trommeln und Zimbeln. Baron Fink war aber auch Musiker und Komponist und steckte bestän­dig in irgend einer Melodie, die er harmonisieren mußte, oder viel­ mehr, beständig steckte eine Melodie in ihm.

Als Ernst Philippi ihm gemeldet wurde, trat der hagere pockennarbige Junggeselle, ein Motiv pfeifend, auf ihn zu, erkannte ihn zunächst nicht und reichte ihm zerstreut die lange Musikerhand. Wie von einer Tarantel gestochen sprang er aber sofort auf und rief mit überseligem Ausdruck: „Pardon, pardon! Ich hab’s, ich hab’s!“ Er griff ein paar Akkorde auf seinem Blüthner und ging auf eine kriegerische fanfarenartige Melodie über. „Aus den lettischen Kampfliedern und Kriegsgesängen!“ sagte er strahlend.

Ernst Philippi wußte nicht, was er aus dem wunderlichen Kauz machen sollt. Sein schauspielerisches Talent kam ihm, vereint mit einem glücklichen Humor, zu Hilfe. Mit einer Fingerbewegung strich er sich seinen blonden Haarschopf ins Gesicht, zog die Schultern hoch, runzelte die Brauen, nahm eine düster versunkene

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/75&oldid=- (Version vom 31.7.2018)