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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Robert Berger nickte nur und strich dem Alten fast zärtlich über die braune schwielige Hand.

„Seitdem steht es so,“ fuhr der alte Bauer umständlich fort, „wer dem Pastor Berger ein Haar krümmt, der hat es mit dem alten Krimpe zu tun. In seiner Herde kennt ein guter Schäferhund sich aus, nun aber dringen fremde Böcke in meine Hürde, das Volk ist in Aufruhr, ob mit Recht oder Unrecht, ist eine andre Frage, und nun komme ich zur Hauptsache: predigen Sie morgen nicht, Herr Pastor, meine Macht ist zu Ende. Ein Überfall auf Sie ist geplant.“

Robert Berger war aufgestanden und schritt mit den Händen in der Amtsstube auf und nieder. Dann legte er dem Alten die Hand schwer auf die Schulter. „Ich muß,“ sprach er. „Es ist meine Pflicht.“

„In sein Unglück zu rennen, ist niemandes Pflicht,“ grollte der alte Bauer. „Wozu haben Sie denn den Herrn Kandidaten im Hause? Lassen Sie den für sich eintreten!“

„Lieber Robert,“ sprach Ernst Philippi dringlich, „selbstverständlich ...“

Gebietend hob Robert Berger die Hand. „Krimpe,“ sagte er, „antwortet mir kurz und bündig: Was tätet Ihr, wenn Euer Sohn wider Euch von einer wilden Horde aufgewiegelt wäre und Ihr ihn nicht unter vier Augen vermahnen könntet? Würdet Ihr Euch krank sagen oder vor versammeltem Volk Euren Sohn zurechtweisen?“

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/64&oldid=- (Version vom 31.7.2018)