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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

„Wo bist denn gewesen?“ fragte sie plötzlich.

Darthe sah von ihrer Arbeit nicht auf.

„Am Fluß!“ er­widerte sie lakonisch.

Breitspurig stellte sich die Frau vor ihr auf. „Bei nachtschlafender Zeit? Was treibst du dich denn nur immer am Fluß herum, Mädchen?“

Darthe schwieg. Das rote breite Gesicht der Frau wurde immer aufgeregter. „Ich hab’ den Grendsche-Jehkab beim Zehsewirt getroffen,“ begann sie unsicher.

Darthe blickte auf. „So?“ fragte sie. „Ja – er ist aus dem Dienst gejagt – hat Streit gehabt mit dem Baron.“

„Warum denn?“

„Was weiß ich? Geld soll abhanden gekommen sein – so sagte mir die Zehsewirtstochter – die hat’s von der Verwalterin. Und grob ist er gewesen.“

Darthe wurde dunkelrot. „Und dann soll nu gerade der Jehkab ...“ sprach sie zitternd.

„Nu, das ist ja noch nicht gesagt ... aber wütend war der Bursch, – ganz auseinander. Geflucht und geschrieen hat er wie ein Rasender. Einen großen Skandal hat’s gegeben.“

Beide schwiegen. Die Zeit schien stille zu stehen. Klirrend warf Darthe die Schere auf den Tisch. Im Hofe krähte ein Hahn.

„Ich war nur froh, daß der Vater nichts davon hörte,“ begann die Frau wieder. „Der Jehkab ist kein guter Mensch, Mädchen“

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/258&oldid=- (Version vom 1.8.2018)