Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit | |
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Sie wandte sich zur Tür.
„Gott schütze dich, Darthing!“ rief ihr die weiche Stimme des Fräuleins nach.
Wie betäubt ging Darthe hinaus.
Sie öffnete und schloß die Türen mechanisch und bemerkte nicht, daß die alte Ohsoling ihr mit offenem Munde nachstarrte, als sie ohne Gruß an ihr vorüberschritt ins Freie. Der Regen war stärker geworden, und nun erst sah Darthe, daß sie ohne Umschlagetuch war. Zögernd stieß sie die Küchentür wieder auf.
„Ich hab’ mein Tuch vergessen,“ sagte sie tonlos.
„Ei, sieh doch, das gnädige Fräulein haben ihr Tuch vergessen,“ höhnte die alte Ohsoling giftig, „und das Adieusagen haben das Fräulein auch vergessen!“
Darthe wandte nicht einmal den Kopf. Stumm ging sie hinaus.
Ein kräftiger Wind hatte sich erhoben. Triefende goldgelbe Kastanienblätter wehten von den alten Bäumen, und der Wind trieb sie flüsternd vor ihr her, quer über den Weg. Sie hüllte sich fester in ihr Tuch und schauerte zusammen. Mochten die Volksgenossen immerhin kommen, – ihr Fräulein Marga würde sich zu schützen wissen, ihr Fräulein Marga, das ihr, Darthe Semmit, ihr Herz geschenkt hatte, und die sie liebte. Ja, nun empörte sich nichts in ihr dagegen. Sie hatte sie lieb, ganz einfach, da konnte niemand dagegen an. Ein fröhlicher Trotz stieg in ihr auf, und rüstig schritt sie aus, den Fußpfad entlang.
Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/256&oldid=- (Version vom 1.8.2018)