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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

„Dich angeben – nein! Die Sache aber muß ich angeben, damit Vorsichtsmaßregeln getroffen werden.“

Darthe sank in sich zusammen. Ihre Knie zitterten.

„Tun Sie es nicht ... tun Sie es nicht ...“ würgte sie flehend und hob die Hände – „ich hab’ mein Volk verraten!“

„Willst du, daß ich die Meinigen verrate? Wenn ich schwiege, wäre das Verrat. Ich muß reden, Mädchen.“

Jetzt erst wurde sich Darthe der Tragweite ihrer Warnung bewußt. Ein kalter Schauer um den anderen schüttelte sie. Sie biß die Zähne zusammen.

„Es tut mir leid, daß ich’s Ihnen gesagt habe,“ sprach sie hart.

Da fühlte sie sich von zwei weichen schlanken Armen umfaßt.

„Nein, Darthing, nein! Das soll, das darf dir nicht leid tun! Ich danke dir, danke dir von ganzem Herzen, aber sieh, ich wäre ja der letzte Lump, wenn ich mich allein rettete und die anderen Güter brennen ließe. Baron von Wolfshausen muß ich’s sagen, ich kann, ich darf ihm nichts verschweigen – er ist mein Verlobter, Darthing, Vor einer halben Stunde noch war er hier.“

Baroneß Margaß Gesicht war von heißen Tränen überströmt. Sie streichelte Darthe die Wangen.

„Er sagt’s keinem weiter, wenn ich ihn bitte,“ fuhr sie fort, „und den anderen kann ich ja sagen, daß ich einen Droh­brief erhalten habe.“

Darthe schüttelte den Kopf. „Und ich hab’ meine Leute doch verraten,“ murmelte sie.

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/254&oldid=- (Version vom 1.8.2018)