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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

es sich leichter gedacht! Sie schluckte hastig ein paarmal und fühlte, wie sie zitterte.

„Frierst du, Kind?“ fragte die Baroneß besorgt, „du bist ja ganz naß.“

„Nein, nein, lassen Sie nur,“ Darthe würgte an den Worten, „ich bin gekommen, um Sie zu warnen, gnädiges Fräulein!“

Die leuchtenden Augen der Baroneß wurden immer größer. Das krause goldrote Haar umfloß sie wie ein Heiligenschein.

„Mich zu warnen – – wovor?“

„Fliehen Sie!“ stieß Darthe jetzt am ganzen Leibe bebend hervor. „Fliehen Sie so schnell als möglich. Man will Ihnen Ihr Haus niederbrennen!“

Eine jähe Röte schoß in das weiße schöne Gesicht.

„Woher weißt du das, Darthe Semmit?“ Die Stimme klang ruhig und gefaßt.

„Ich hab’s – von den Roten – das lettische Zentralkomitee hat den Tag dazu bestimmt. Heute um zwei Wochen, da werden alle Güter im Kreise angesteckt!“

„Alle Güter?“ schrie die Baroneß. Sie faßte Darthe am Arm.

Das Mädchen nickte. Ihr war die Kehle wie zugeschnürt. „Sie dürfen mich – nicht angeben, gnädiges Fräulein,“ sagte sie endlich stockend, „sonst schlagen mich die Unsrigen tot.“

Das Fräulein stand hoch und vornehm da. Sie war bleich wie ein weißes Tuch.

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/253&oldid=- (Version vom 31.7.2018)