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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Wieder blieb sie stehen und schaute sich um. Dort führte der Weg nach Rothof, dem Wohnsitz der Baroneß Marga, und dort zwischen dem goldleuchtenden herbstlichen Laub der Kastanien schimmerte das steile Ziegeldach des alten zweistöckigen Hauses. Sie schlug einen Fußpfad ein, der ihr bekannt war. Es war vielleicht ratsamer, die Landstraße zu meiden.

Schwarz und schwer hingen die Wolken über dem roten Dach. Wie würde das aussehen, wenn die Flammen da herausschlügen? Noch stand das Haus still und friedlich da, und seine nassen Fensteraugen blinkten.

Wenn nur die Baroneß zu Hause war! Und wie würde sie Darthe empfangen? Noch waren ja die Deutschen Herren im Lande, und die Baroneß war ihr vielleicht noch böse wegen der Nadel.

Ein feiner Regen begann hastig zu sprühen. Darthe ver­langsamte ihre Schritte. Sie ging zögernd um das große Rasenrund herum, das von Akaziengebüsch eingefaßt war. Rechts und links standen die Kleeten, die Gesindewohnungen, der Pferdestall, der Viehstall, alles altmodisch aus ungestrichenem Holz aufgebaut. Das fängt Feuer wie Zunder, dachte sie.

Endlich trat sie in die herrschaftliche Küche.

Am Herd hantierte die alte weißhaarige Wirtin, eine treue langbewährte Person. Sie klapperte mit Topfdeckeln und Schüsseln.

„Guten Tag,“ sagte Darthe.

Uber ihre Hornbrille hinweg sah die Alte sie an.

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/250&oldid=- (Version vom 1.8.2018)