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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

hab’ ich noch nicht Gelegenheit gehabt, Pastor Berger zu hören.“

Ernst Philippi zog ein verzwicktes Gesicht. Ihn schien diese Unterhaltung höchlich zu amüsieren. „Also Pastor Berger erfreut sich eines so vorzüglichen Rufes als Redner,“ mischte er sich in das Gespräch. „Das freut mich, ich kenne ihn von Dorpat her.“

„So?“ sagte die dicke Dame eifrig. „Wie interessant! Aber nicht nur als Redner sucht Pastor Berger seinesgleichen, sondern fast mehr noch als Mensch. In diesen unruhigen Zeiten, wo die revolutionären Hetzer ihr möglichstes tun, um das Ansehen der Deutschen und der Pastoren zu untergraben, hat er sich eine feste Stellung geschaffen und ist in seiner lettischen Gemeinde als Deutscher allgemein beliebt. Das will schon etwas sagen. Schade nur, daß er sich an diese geschiedene Frau gehängt hat!“ Die dicke Dame pustete und warf einen beschwörenden Blick gen Himmel.

„Er soll aber doch überaus glücklich mit ihr sein!“ warf Philippi ruhig ein.

„Ja, wissen Sie“, fuhr die Dame eifrig fort, „was bleibt ihm denn andres übrig? Hat man A gesagt, muß man auch B sagen. Mit diesem Menschen ist’s kein Kunststück, glücklich zu werden.“

„Vielleicht aber wohl eins, ihn glücklich zu machen!“

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/25&oldid=- (Version vom 1.8.2018)