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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Ein lodernder Blick voll grenzenlosen Staunens, voll empörter Verachtung maß ihn von oben bis unten. Sie wandte ihm den Rücken und schritt hastig davon.

Er sprang ihr nach.

„Seht ... seht das Brautpaar! Das Brautpaar!“ schallten höhnende Rufe. „Die Bettelbraut und der Herrenknecht!“

In ohnmächtiger Wut preßte er die Zähne zusammen und ballte die Fäuste.

„Wollen sehen ...“ murmelte er halblaut, „wer mehr vermag – Ihr mit Eurem leeren Schwatzen und Reden oder ... ich!“

Sie hatte die Worte gehört, doch wandte sie den Kopf nicht um. Jetzt ging er neben ihr her.

„Darthe!“ keuchte er heiser, „willst du mich zum Gespött der Leute machen?“

Sie blieb stehen und sah ihn mit flammenden Augen an.

„Darthe Semmit läßt sich nicht zum zweiten Male fortstoßen. Sie hat sich dir nicht aufgedrängt, Grendsche-Jehkab. Um deinetwillen bin ich geblieben, als meine Eltern gingen. Ist das der Dank? Für eine Minutenbraut bin ich mir selbst zu schade!“

„Minutenbraut ...“ wiederholte er. „Aber Darthe, was redest du denn? wußte ich denn, was ich tat, als ich dich stieß? Ich dachte ja nur an den feisten Protzen, den Dumpje-Wirt ... Du bist meine Braut und sollst es bleiben und nun erst recht!“

„Dazu gehören zwei!“ sagte sie kurz.

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/243&oldid=- (Version vom 1.8.2018)