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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Ein spöttischer Zuruf Grendsche-Jehkabs: „Der mit seinem Fettwanst redet von Hungern und Darben!“ wurde nicht beachtet. Wie in einem Rausch sprach der Dumpje-Wirt weiter, von Haß und blinder Wut und Rednerehrgeiz getragen. Die Worte flogen ihm zu.

„Brüder und Genossen! Die Tage der Deutschen im Lande sind gezählt. Mögen sie fliehen, wenn ihnen ihr Leben lieb ist! Hier dulden wir keine deutschen Herren mehr. Ihre Schlösser, ihre Güter, ihre Ställe, ihre Pferde und Kutschen und Rinder sind unser! Greifen wir nur zu! Nicht mehr stehen wir allein und schutzlos wie eine verwirrte Herde Schafe dem gierigen Raubtier, dem Wolf gegenüber, – den Wölfen von Wolfshausen!“ Dröhnendes Gelächter.

„Das lettische Zentralkomitee steht hinter uns! Das lettische Zentralkomitee denkt und sorgt und handelt für uns. Das lettische Zentralkomitee wird uns unsern Tag der Rache bestimmen – er ist nicht fern. Bis dahin noch geduldet euch und haltet euch ruhig – wir Mitglieder des Komitees kennen den Tag. Dann wird kommen die Stunde, da wir jubeln, da wir siegen, da wir die Herren im Lande sein werden!

Hoch dem lettischen Zentralkomitee! Nieder mit den Deutschen!“

Mit einer großtuerischen Gebärde stieg er von der Bank. Aus der Brusttasche zog er ein Bündel Proklamationen. Gierige Hände griffen danach.

Empfohlene Zitierweise:
Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/241&oldid=- (Version vom 1.8.2018)