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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

ihrer Näharbeit und versorgte die Wirtsfrauen und Töchter mit Kleidern. Ohne jemals die Schneiderei berufsmäßig erlernt zu haben, betrieb sie sie eifrig und stand sich ganz gut dabei. In ihrem weißen Kleide, dem Geschenk der Baroneß Marga, sah sie aus wie ein schönes stolzes fremdländisches Fräulein und lenkte aller Blicke auf sich.

Mutter Greetsche sah die bewundernden Blicke recht gut, die ihrer Tochter galten, und spann in ihrem Innern verwegene Pläne. Dem reichen Dumpje- Wirt war vor drei Monaten seine Frau gestorben – wie, wenn Darthe Dumpje-Wirtin würde? Sie hielt ihre schöne Tochter krampfhaft am Arm fest und segelte mit ihr stracks auf den Dumpje-Wirt los.

Breitspurig stand er da, die Daumen in den Westenärmeln, und blickte hochfahrend um sich wie ein Sieger im Felde.

„Guten Tag, Dumpje-Wirt,“ sagte Mutter Greetsche ein­ leitend, „’s ist ein schönes Wetter heuer!“

„’s geht an!“ meinte der Dumpje-Wirt gnädig. „Heute wollen wir einmal lustig sein, Jungfer Darthe – wie?“ sagte er mit einem Seitenblick auf das Mädchen.

„Was machen Eure armen Waisen, Dumpje-Wirt?“ steuerte Mutter Greetsche nun direkt auf ihr Ziel los. „Die sehnen sich wohl nach der Mutter. Müßtet wieder auf die Freite gehen, Dumpje-Wirt.“

„Haben jetzt wichtigere Dinge zu tun, Mutter Greetsche, die Zeiten sind nicht danach.“

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/231&oldid=- (Version vom 1.8.2018)