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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

oder dem Pastorat mit auf das Fest gekommen, und die Leute hatten den Ehrengast mit Tusch und Willkommensgruß gefeiert. Es war eine hohe Ehre für die Burschen gewesen, mit den herrschaftlichen Fräulein zu tanzen. Jetzt zum erstenmal war das anders. Eine rote Fahne wehte von derselben Stange, die früher die kurländischen oder die Reichsfarben getragen. Dreist und frech wie eine ringelnde rote Schlange wehte sie im Winde. Und die blinkenden Fenster des Herrenschlosses blieben geschlossen und verhängt. Ja, es ging ein böser Geist um unter dem Volk, der Geist der Revolution.

Ein buntscheckiger Knäuel von Menschen war auf dem Platz versammelt.

Frech und lärmend war ihr Gebaren, herausfordernd ihr Aussehen.

Unter Absingung eines revolutionären Liedes waren die Burschen schon halb betrunken auf den Platz gelangt.

Darthe war mit Mutter Greetsche gekommen. Die gute Frau arbeitete noch immer im Tagelohn mit ihrem Mann beim Zehsewirt. Er hielt seine Leute knapp und war ein harter Herr, und gerade darum schimpfte er am lautesten über die deutschen Barone. Sie zahlten bessere Löhne und die Verpflegung war eine reichere. Aber die leichtgläubige Mutter Greetsche schwor auf jedes Wort des Zehsewirts und tat schon lange ihr möglichstes, auch Darthe zur Tagesarbeit bei ihm zu bestimmen. Das hartnäckige Mädchen aber schüttelte den Kopf und schwieg. Sie stand sich besser bei

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/230&oldid=- (Version vom 1.8.2018)