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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

„Ich erzähle sie Ihnen sofort, Baroneß – also, wie war’s, Darthing, warum ließest du die Dohle fliegen?“

Jetzt richtete sich das Mädchen auf. Eine flammende Röte überzog ihr braunes Gesicht.

„Weil ich Sie nicht leiden konnte!“ stieß sie trotzig hervor. „Sie waren ungerecht gegen den Grendsche-Jehkab. Der lief eben so schnell wie Sie!“

„Mais elle est parfaite!“ wandte sich Baron Wolf amüsiert zu Marga. „Höre,“ fuhr er dann fort, „also ungerecht bin ich gewesen? Nun, was meinst du wohl, was war dem Jehkab lieber, die Dohle oder die dreißig Kopeken, die er nachher als Entschädigung bekam?“

„Wie soll ich das wissen?“ fragte sie trotzig. „Fragen Sie ihn selber. Mir wär’ die Dohle lieber gewesen, und darum sollt’ sie keiner haben.“

„Das gefällt mir, Darthing!“ rief Baroneß Marga, die nun auch den Hergang verstanden hatte. „Sieh, du bist ja stolz wie eine Prinzessin. Wirst du denn auch jetzt nicht zu stolz sein, ein kleines Andenken von mir anzunehmen?“ Sie löste eine kleine goldene Nadel aus ihrer Krawatte und steckte sie Darthe an die Brust.

„Ich will keine Goldsachen,“ wehrte sich Darthe – „ich will nichts von Ihnen.“

Verwundert zog Marga die feinen dunklen Augenbrauen in die Höhe.

„Und warum nicht?“ fragte sie.

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/222&oldid=- (Version vom 31.7.2018)