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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

eine Schaufel zur Hand, an seiner Seite stand Grendsche-Jehkab. Die weiche Wiesenerde flog nach allen Seiten auseinander. Nun setzten auch die vier Arbeiter ein; unter ihren regelmäßigen Stichen weitete sich zusehends die Öffnung.

Lachend traten die Damen zurück. „Ich will auch mit­ helfen!“ rief Baroneß Marga übermütig.

„Aber Ihr Kleid, Marga!“ rief Mäuschen besorgt. „Warten Sie, ich will Ihnen eine Schürze verschaffen. – Semmits Darthing, kannst du nicht dem gnädigen Fräulein deine Schürze borgen?“

Stumm band Darthe ihre Schürze los und reichte sie der Baroneß.

„Ah, Semmits Darthe, wir sind ja alte Bekannte!“ sagte Baroneß Marga freundlich. „Wie du groß und hübsch geworden bist, Mädchen! Kannst du jetzt besser Milch kochen, wie?“

Darthe murmelte etwas Unverständliches. Ihr Zorn gegen die Deutschen war verflogen.

Wie sie grub, die schöne Baroneß! Scheinbar mühelos, regelmäßig und ruhig, und doch förderte jeder kräftige Spatenstich einen gleichen Haufen Erde zutage. Wider Willen bewundernd sahen ihr die Bauern zu.

Ohne ein Wort zu sagen, wandte sich Darthe um und ging in ihre Hütte zurück. Sie kehrte mit einer kleinen leichten Schaufel wieder. „Da, nehmen Sie diese,“ sagte sie, „die ist für Ihre feinen Hände bequemer.“

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/219&oldid=- (Version vom 1.8.2018)