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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Sie konnten nicht anders, sie mußten Wind säen. Du armes Land, du liebes Baltenland, wehe dir!

Herbstsonnenschein. Noch einmal milde verklärte sonnige Tage. Gleich seligen Träumen zogen weiße schwimmende Wolken über den blauen Himmel, und wieder trat Darthe vor die Schwelle ihrer elterlichen Hütte.

Müde und alt kauerte sich das schiefgedrückte Häuslein in sich zusammen, stolz und aufrecht stand das junge schöne Kind des Volkes vor der morschen Tür und beschattete die Augen mit der Hand.

Sie spähte über die Straße zur Wiese hinüber, die sich leise zum Fluß abschrägte. Was ging da vor? Fremde Gestalten mit Spaten und Hacken in den Händen schritten die Wiese auf und nieder. Sie sah einige bekannte Gesichter – den jungen Majoratsherrn Baron Wolf, den Studenten Willy, den Pfarrerssohn, die grüne Cerevismütze schief auf dem Kopf, – da war auch der alte Pastor mit dem weißen Haar, neben ihm die rundliche bewegliche Figur der Pastorin. Da stand endlich Mathildchen, die siebzehnjährige einzige Tochter des alten Ehepaares, mit den leisen huschenden Bewegungen. Sie hatte ein weißes feines aufgewecktes Gesichtchen und eine zarte Stimme, weshalb sie „Mäuschen“ genannt wurde. Auch in der Gemeinde nannte man sie so, wenn man von ihr sprach. Aufmerksam sah Mäuschen zu der hohen blühenden Gestalt der Baroneß Marga auf. Sie sprachen miteinander, und die Baroneß hielt ihr graues Tuchkleid mit der

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/214&oldid=- (Version vom 1.8.2018)