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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

er – „o Mutter, Schwester, Woldja, könnt Ihr mir vergeben?!“

Dann brach er in ein leises wehes Weinen aus.

Lange weinte er so still und schmerzhaft vor sich hin, seine Tränen flossen in Strömen und wuschen und badeten ihm die wunde kranke Seele rein.

Endlich stand er auf. Nein, noch war er nicht rein, er hatte noch etwas zu tun. „Kann man denn Tote erwecken?“ flüsterte er: „Auge um Auge, Zahn um Zahn, Blut um Blut!“

Er wusch und trocknete sich das Gesicht. Dann ging er hinunter und klopfte bei Matriona Fadejewna an.

Freundlich öffnete die Frau und erschrak.

„Rufen Sie mir sofort Vater Nikiphor,“ sprach er mit einer wilden Bestimmtheit. „Ich muß ihn notwendig sprechen.“

Eilig lief Matriona Fadejewna die Treppe hinunter.

Nach wenigen Minuten kam der Pope. Er war bleich und seine Augen funkelten erwartungsvoll.

Hastig schloß er die Tür hinter sich.

Ruhig und groß sahen ihn die Augen des kleinen Mannes an.

„Vater Nikiphor,“ sagte er mit tonloser trauriger Stimme, – „weshalb hast Du mir das getan?“

Ein Ruck ging durch die mächtige Gestalt des Geistlichen.

„So hast Du ihn getroffen?“ brach er los.

„Der Baron liegt tot auf der Straße. Ich aber frage Dich noch einmal, – weshalb hast Du mir das getan?“

Der Geistliche hielt den vorwurfsvollen schmerzhaften Blick

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/177&oldid=- (Version vom 31.7.2018)