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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Willenlos ging Stepan Nikolaitsch voraus. „Sie fährt jetzt täglich in ihrer Baronskarosse mit Begleitung nach Hause,“ dröhnte es ihm noch in den Ohren.

Die Teemaschine stand dampfend auf dem Tisch. Behaglich schlürfte der Pope eine Tasse um die andere und durchbohrte dabei Stepan Nikolaitsch mit seinen faszinierenden Blicken.

In sich zusammengesunken brütete der Volkschullehrer vor sich hin.

„Es wird jetzt eine lustige Hetzjagd – je toller, desto besser, Bauernschaft und Adel, Bürger und Militär. – Alles durch- und gegeneinander! Mögen sie sich nur untereinander auffressen! Wir Russen bleiben ja doch Sieger und Herren im Lande! Da“ – er zog eine Zeitung aus der Tasche – „sehen Sie hier, – wieder sind zwei Barone erschossen worden, der eine in der Kirche, der andere auf einem Inspektionsritt durch das Land. Hätte nur dieser verhaßte deutsche Adel eine einzige Kehle, daß man ihn mit einem Schnitt vernichten könnte!“ sagte er ingrimmig.

Stepan Nikolaitsch schlug die Hände vors Gesicht. „Blut. ... überall Blut und Mord!“ stöhnte er – „ich kann davon nichts mehr lesen noch hören!“

„Du kannst nicht?“ höhnte der Geistliche. „Sieh mir das zarte Muttersöhnchen an – es kann von Blut nichts hören! Aber ich sage dir, Freundchen, – das wird noch alles ganz anders. In Blut wirst du selber noch waten müssen – knietief!

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/161&oldid=- (Version vom 31.7.2018)