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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

junger Mann, dazu noch ein Russe – und Ihre Wally im täglichen Verkehr mit einander, man redet schon darüber, ich versichere Sie.“

„Pah!“ machte Wally geringschätzig. – „Mögen die Menschen reden, wenn es ihnen Vergnügen macht, übrigens gebe ich die Stunden nicht täglich, sondern zweimal wöchentlich.“

„Und Herr Goruschkin ist wirklich ein sehr netter bescheidener junger Mann“, fiel Frau Schulz ein. „In Libau sieht niemand etwas darin, Wally hat schon oft ...“

„So? Also in Libau mag man ja großstädterische Ansichten haben“, sagte Frau Doktor Treller spitz. „So reflektieren Sie nicht auf die Stelle, Fräulein Wally? Soll ich dem Baron eine abschlägige Antwort erteilen?“

„Im Gegenteil“, rief Wally eifrig, „ich nehme an und bin Ihnen sehr dankbar, Frau Doktor.“

„Die Equipage des Barons soll Sie in der Dämmerung nach Hause bringen“, fuhr Frau Doktor fort. Diesen letzten Trumpf hatte sie sich noch aufgespart.

„Aber das ist ja prächtig!“ rief Frau Schulz andachtsvoll. „Wally, freust Du Dich denn nicht? In dem eleganten Wagen mit zwei milchweißen Schimmeln durch den Flecken zu fahren, wie so eine Prinzeß!“

Wallys Augen funkelten. „Das ist ja sehr nett“, sagte sie mit einiger Zurückhaltung. „Auch in Libau habe ich einem jungen Adligen russische Konversationsstunden gegeben!“ renom­mierte sie.

Empfohlene Zitierweise:
Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/153&oldid=- (Version vom 1.8.2018)