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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

„Nehmen Sie gefälligst Platz“, sagte Pastor Brenner und wies auf einen gepolsterten Stuhl.

„Ich ziehe es vor, zu stehen“, grollte Vater Nikiphor. „Es handelt sich um die lutherischen Kirchenschüler in der russischen Schule, denen Sie den Konfirmandenunterricht weigern.

Ich selbst habe meinen Schülern den Religionsunterricht in neutraler Weise erteilt, ohne die konfessionellen Unterschiede hervorzuheben, ich wiederhole es – in gänzlich neutraler Weise. Somit fordere ich die Anerkennung dieses Unterrichts von Ihnen. Meine Religionsstunden sind eine vollständig genügende Grundlage für Ihre Konfirmandenlehre, und nun frage ich Sie: Mit welchem Recht verweigern Sie meinen Schülern den Konfirmationsunterricht?“

Er hatte laut und erregt gesprochen. „Seit wann vertreten Sie meine Rechte, Euer Hochwohlehrwürden?“ fragte der Pastor, der nun auch stehen geblieben war, mit höflicher Gelassenheit.

„Seitdem ich sehe, daß Sie in Ihren Pflichten lässig geworden sind, Pastor Brenner“, stieß Vater Nikiphor wild hervor.

Ein amüsiertes Lächeln spielte um die Mundwinkel der beiden Herren.

„Erlauben Sie mir, Ihnen zu bemerken, daß niemand sich um meine geistlichen Pflichten zu kümmern hat, als das evangelisch-lutherische Konsistorium.“

„Und ist Ihr Konsistorium mit Ihrer Auffassung einverstanden?“ keuchte der Pope.

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/146&oldid=- (Version vom 1.8.2018)