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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

so gut auszunützen, daß tatsächlich eine Reihe von ihnen zum orthodoxen Glauben übertrat. Andere konservativere Elemente hielten an ihrem Lutherglauben fest und verlangten trotzig, der Pastor solle nachgeben. Er blieb natürlich bei seiner Weigerung. Nun aber legte sich Vater Nikiphor in scheinbarer Großmut ins Mittel und erklärte den bestürzten Eltern, er selbst werde mit Pastor Brenner verhandeln.

In siegessicherer Stimmung begab er sich aufs deutsche Pastorat, das von uralten Linden eingehegt, außerhalb des Fleckens lag, und forderte eine Unterredung mit dem Prediger. Er trat in Pastor Brenners Arbeitsstube und fand ihn zu seiner Überraschung nicht allein.

Baron Falkenfels, eine überaus distinguierte Persönlichkeit mit einem eigentümlichen ironischen Zug um die schmalen festzusammengekniffenen Lippen, erhob sich mit sarkastischer Höflichkeit bei seinem Eintritt.

Gemessen trat Pastor Brenner seinem orthodoxen Kollegen entgegen. „Ich habe mit Ihnen zu sprechen, Pastor Brenner“, sagte der Pope ohne Gruß, laut und herausfordernd.[WS 1]

Erstaunt zog der Pastor die Augenbrauen hoch.

„Guten Tag!“ sagte er mit nachdrücklicher Betonung. Vater Nikiphor erbleichte, schoß einen lodernden Blick unter den buschigen Augenbrauen hervor und verbeugte sich mit einem heftigen Ruck. Hart schlugen seine Stiefel zusammen.

  1. Vorlage: herausfordend
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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/145&oldid=- (Version vom 1.8.2018)