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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

soll ich Ihnen? Ja, was soll ich Ihnen denn nur erzählen?“

„Wo waren Sie denn heute? Sie sollen ja zwei hübschen jungen Damen begegnet sein, die Sie mit Regenschirmen versehen haben.“

Stepan Nikolaitsch wurde ein wenig rot. „Also das wissen Sie auch schon – was bleibt mir da zu erzählen übrig? Warten Sie,“ sagte er, als wolle er sich besinnen, und zog die Erbsenschüssel näher zu sich heran. Umständlich öffnete er eine Schote um die andere. „In der Heimat, im Seminar hatte ich einen Freund, – ein prachtvoller Mensch, nur ein wenig rot, wie das schon so geht. Ich liebte ihn sehr, und auch er bevorzugte mich vor allen Kameraden. ,Laßt mir den Stiopka in Ruhe!’ sagte er –, ,In dem steckt was – stille Wasser sind tief’ –Ja ... ja ... Sein Kopf sank ihm tief auf die Brust, während er sprach, und er seufzte schwer. „Hm!“ räusperte er sich, um seiner Stimme mehr Festigkeit zu geben – „Wladimir Gruschewskv war ein hübscher Bursch - - er konnte sich überall sehen lassen, und die Mädchen waren auf ihn rein wie versessen, – meine Schwester Katiuscha natürlich mit, und Augen machte sie ihm - so große! Sein Vater war Kaufmann, hatte Geld, hielt es aber ungemein zusammen wie so ein Knicker, – nu und Wolodjka wurde ziemlich kurz gehalten. Eines Tages – es war vor Schulanfang in unserem letzten Seminarjahr, kommt Wolodjka zu mir – bleich, mit zerzaustem Haar und glühenden Augen. ,Stepan’, sagte er und packt mich bei den Schultern – ,bist Du mein

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/126&oldid=- (Version vom 1.8.2018)