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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

nein, wie komisch!“ kicherte eine Stimme, „du, Wally, der Pope ist übrigens ein schöner Mann!“

„Der Schullehrer gefällt mir viel besser, er hat ein sanftes gutes Gesicht, vor dem Popen würd’ ich mich fürchten,“ war die rasche Antwort – „es wär’ eigentlich ein christliches Werk, wenn wir den beiden Russen unsere Regenschirme anböten.“

„Nun, so tun wir’s doch!“

„Ach nein, lassen wir’s, Wally, das sähe aufdringlich aus!“

„Aber nun erst recht – kommst du mit, Mietze, – sonst geh ich allein!“

Die Braune stand ein paar Sekunden später auf der Straße, zwei Schirme in den Händen. Sie war ein schönes Mädchen mit kurzgeschnittenem Haar und kecken feurigen Augen. Schüchtern war ihr die blonde Mietze gefolgt.

„Erlauben Sie, daß wir Ihnen unsere Schirme anbieten!“ sagte Wally in fließendem Russisch.

„Sie sind sehr liebenswürdig,“ sprach Vater Nikiphor, „und ich weiß diese Liebenswürdigkeit um so mehr zu schätzen, da sie uns von deutschen Dame geboten wird.“ Seine machtvollen Augen überflogen die kraftvolle Gestalt der Brünetten und bohrten sich in das zarte Gesicht der blonden Mietze.

Stepan Nikolaitsch sagte nichts, er riskierte eine ungeschickte Verbeugung und sah erstaunt zu der Brünetten hinüber, deren Antlitz sich mit warmem Rot Übergossen hatte. Dann gingen die Männer weiter.

Empfohlene Zitierweise:
Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/119&oldid=- (Version vom 1.8.2018)