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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Seelsorger, aber wenn du jetzt nicht tun willst, was notwendig ist, bist du ein ganz gewöhnlicher Egoist. Sieh doch deine Frau an; mit ihrer Nervenkraft ist’s zu Ende. Sieht sie nicht aus wie ihr eigner Schatten? Hast du denn keine Pflichten gegen deine Familie, nur Pflichten gegenüber dem Amt? Geld? Darüber verlieren wir kein Wort weiter. Es ist da, sobald du es brauchst und wieviel du brauchst, und jetzt ziehst du sofort ein freundliches Gesicht und machst deiner verehrten Frau Gemahlin nach all den schweren Tagen auch eine ordentliche Freude!“

Robert Berger schwieg noch immer. Endlich streckte er seinem Freunde eine arme abgemagerte Hand hin und sprach. „Du hast gesiegt!“

Ernst Philippi öffnete die Tür weit, sein Gesicht strahlte: „Nur herein, Frau Pastorin!“ rief er übermütig. „Der Adjunkt von Kronenthal hat seine erste Seelsorge mit Erfolg und Glück durchgeführt.“

Isa kniete schluchzend an dem Bett ihres Mannes nieder, die Gatten hielten sich fest umschlungen.

Im Nebenzimmer aber lag Claire lachend und weinend in den Armen des Geliebten.

Doktor Sartorius rieb sich schmunzelnd die Hände. „So weit hätten wir sie glücklich!“ brummte er. Dann ging er ins Kinderzimmer, zog die kleinen Mädchen beide auf den Schoß und gab jedem einen herzhaften Kuß. „Nun reisen wir allesamt nach Italien!“ sagte er vergnügt, „und Elschen und Marthchen

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/100&oldid=- (Version vom 1.8.2018)