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Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-Franken: Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-Franken (1798)

Man kann dem jetzigen Kaiser Standhaftigkeit bis auf einen gewissen Grad gar nicht absprechen. Diese hat er besonders in der Hebenstreitschen Verschwörungssache und in dem gegenwärtigen Kriege gezeigt. Aber er scheint sich dem Publikum nicht gern zu zeigen. Ich habe ihn seit meines hiesigen Aufenthalts noch nicht ein einzigesmahl gesehen, und hiesige Bürger versichern mir, daß er, ausser an Sonntagen in der Hofkapelle und höchst selten im Theater, sonst niemahls sichtbar werde. Er scheint ein stilles häusliches Leben zu lieben. Zu Schönbrunn und Laxenburg unterhält er sich im Sommer mit Fischen, Feuerwerken, Masken u. dgl. Sein Lieblingsspiel soll darinn bestehen, daß er nach der Tafel Chockolade-Brocken auf die Nase legt und sie mit dem Munde zu schnappen sucht. Dies dauert aber selten über eine halbe Stunde. Er ist ein treuer Gatte bis auf die kleinste Kleinigkeit und die chronique scandaleuse hat in diesem Puncte auch nicht das kleinste Anekdötchen aufzuweisen. Es fehlt also hier an Mätressen und begünstigten Damen, und Niemand findet unter einem Unterrocke Schutz. Selbst die Kaiserinn mischt sich nie in kleine Regierungssachen, obschon sie an der Fortsetzung des gegenwärtigen Krieges auch ihren Antheil haben soll. Erklärte Lieblinge hat der Monarch nur auf kurze Zeit und ausser dem Minister Thugut ist die Veränderung im Ministerium eine wahre Ebbe und Fluth. Heute